WIRTSCHAFTSKRIMINALITÄT IN DEUTSCHLAND:
IST DIE JUSTIZ AUF DER HÖHE DER ZEIT?
Rainer Ohler, veröffentlicht 30.9.2025
Vor genau fünf Jahren begann am 30. September 2020 in München der erste Strafprozess im Abgasskandal. Pikanterweise ist das Verfahren noch immer nicht beendet. Deutschland sollte Wirtschaftskriminalität effizienter bekämpfen — und dabei europäischer vorgehen. Ein Blick auf Frankreich zeigt, wie das gehen könnte.
Der folgende Beitrag erschien als Paper in der Reihe des Global Ideas Center in Berlin. Dr. Rainer Ohler ist Fellow dieses angesehen Think Tanks.

Vor genau fünf Jahren begann am 30. September 2020 in München der große Diesel-Strafprozess gegen Audi-Chef Stadler und Kollegen. Pikanterweise ist das Verfahren noch immer nicht beendet.
Wenn man vor diesem Hintergrund die großen Unternehmensskandale der letzten 20 Jahre in Deutschland betrachtet, dann fallen vier Dinge auf: Erst gibt es große Schlagzeilen, daran anschließend scharfe Kritik an den Verantwortlichen, die den Unternehmen und ihren Marken in der Tat schweren Reputationsschaden zugefügt haben. Darauf folgen endlose Gerichtsverfahren und am Ende Urteile, die angesichts der ursprünglichen Schlagzeilen nur als enttäuschend zu bezeichnen sind — wenn Urteile überhaupt gefällt werden.
Sechs Gründe, warum Wirtschaftskriminalität ein Topthema in Deutschland sein muss
- Auch wenn hierzulande immer wieder Skandale Schlagzeilen machen – ob Dieselgate, Cum-Ex oder Wirecard – die juristische Aufarbeitung bleibt zäh. Urteile, wenn sie in Deutschland überhaupt ergehen, sind oft unbefriedigend. Insgesamt leidet unser Land an langwierigen Verfahren, geringen Sanktionen und einem Flickenteppich an Zuständigkeiten.
- Diese Faktenlage ist Anlass, ernsthafte Fragen über die deutsche Praxis im Umgang mit der Wirtschaftskriminalität zu stellen. Das verbunden mit der Frage, ob wir nicht anhand des positiven Beispiels anderer wichtiger europäische Partner, vor allem Frankreich und Großbritannien, konsequenter und effektiver gegen Unternehmensdelikte vorgehen können und müssen.
- Das würde absehbar nicht nur zu mehr Effizienz und Transparenz führen, sondern vor allem auch – wie das Beispiel der anderen Länder belegt – zu begrüßenswerten Verhaltensänderungen im Unternehmenssektor. Damit würde idealiter auch die Anzahl der Fälle reduziert, in denen eine Strafverfolgung in Zukunft vonnöten ist.
- Bei alldem ist weniger die mangelnde Bereitschaft zur Aufklärung das Problem als ein veralteter rechtlicher Rahmen. Deutschland besitzt kein Unternehmensstrafrecht, dadurch ziehen sich Verfahren über Jahre hin – und Sanktionen bleiben meist weit hinter dem internationalen Standard zurück. Kurz gefasst fehlt es an dreierlei – systematischem Vorgehen, Tempo und abschreckender Wirkung.
- Dieses Thema sollte insbesondere auch für den deutschen Bundeskanzler Friedrich Merz ein wichtiger Agendapunkt sein. So betont er regelmäßig vollkommen zurecht, wie wichtig es ist, dass sich Deutschland stärker mit der europäischen Dimension auseinandersetzt. Dafür bietet sich das grenzüberschreitende, reformorientierte Lernen beim Thema Wirtschaftskriminalität in besonderem Maße an.
- Das gilt nicht nur wegen der Wirtschaftskompetenz des Kanzlers, sondern auch aufgrund der Tatsache, dass zumindest auch sein wesentlicher Koalitionspartner, die SPD, bereit sein sollte, dieses Thema aufzugreifen.
Dieser Text stellt eine Zusammenfassung eines Strategic Intervention Paper (SIP) dar, das ist für das Global Ideas Center in Berlin verfasst habe. Die vollständige Version des Papers finden Sie hier:Deutschland und Wirtschaftskriminalität – Global Ideas Center
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