Jack Daniels schlägt Jack Wolfskin
– Abmahnungspraxis im gewerblichen Rechtsschutz
Hintergrundgespräch mit Oliver Löffel, Partner der Kanzlei Löffel Abrar
Litigation-PR und Reputationsschutz spielen in Ihrer anwaltlichen Praxis eine immer größere Rolle. Bevor wir darauf näher eingehen: Könnten Sie kurz skizzieren, womit sich IP Law heute beschäftigt. Worum geht es im gewerblichen Rechtsschutz genau?
Dabei geht es um den Schutz des geistigen Eigentums, zum Beispiele um Markenrechte, Patentrechte und Designs. Damit werden Leistungen von Unternehmen bzw. Unternehmern geschützt und für eine gewisse Zeit monopolisiert, um die Investitionen, die zu deren Entwicklung und Vermarktung getätigt wurden, abzusichern. Daneben existiert das Lauterkeitsrecht. Es ist in erster Linie ein Recht zum Schutz der Mitbewerber und Verbraucher, zum Beispiel vor sogenannten Copycats und Lookalikes. Da gibt es allerdings viele Überschneidungen zum Gewerblichen Rechtsschutz, etwa wenn entsprechende Markenrechte nicht zur Verfügung stehen kann immer noch der lauterkeitsrechtliche Verwechslungsschutz helfen.
Nehmen wir beispielsweise ein Copycat-Produkt oder eine Bezeichnung, die 1:1 nachgeahmt ist. Idealerweise kann sich ein geschädigtes Unternehmen gegenüber dem Verletzer auf ein gewerbliches Schutzrecht stützen, etwa auf eine registrierte Marke. Auf Basis dieses Schutzrechts kann das Unternehmen gegen den Plagiator rechtlich vorgehen, in einem ersten Schritt etwa durch eine Abmahnung. Wenn das Unternehmen ein solches Schutzrecht nicht hat, dann kann das Recht gegen den unlauteren Wettbewerb helfen. Denn der Verbraucher soll durch das Lauterkeitsrecht unter anderem davor geschützt werden, dass verwechslungsfähige Produkte oder Zeichen im geschäftlichen Verkehr verwendet werden und der Verbraucher dadurch irregeführt wird.
Der Bereich des Gewerblichen Rechtsschutzes unterliegt einem großen Wandel, und zwar sowohl national als auch international. Der Gesetzgeber ist ständig gefordert, auf neue Entwicklungen zu reagieren, etwa im Internet (man denke nur an das aktuelle Thema Linkhaftung oder die Haftung von Intermediären). Leider hält die Rechtsentwicklung mit dem schnellen Wandel der Technik nicht immer Schritt. Denken Sie etwa an den 3D-Druck. Damit können viele Produkte, etwa Skateboards, dezentral hergestellt werden. Wenn nun irgendwann viele Verbraucher im Stande sind, Produkte selbst nach zu „drucken“, wieso sollen sie diese Produkte dann noch im Handel kaufen? Da stellt sich schon unter anderem die Frage, ob das bestehende Recht die Interessen von Verbrauchern und Herstellern noch in einen angemessenen Ausgleich bringt. Denn wenn sich ein Verbraucher seine Lieblingsschuhe selbst nachdruckt, dann verletzt er nach aktueller Rechtslage regelmäßig keine gewerblichen Schutzrechte, denn er handelt ja nicht im geschäftlichen Verkehr, sondern zu privaten Zwecken. Auch die Produktpiraterie wird durch 3D-Druck stark vereinfacht, weil Produkte nicht mehr am Zoll vorbei eingeführt werden müssen, sondern dezentral im Inland von Fälschern hergestellt werden können. Die Politik sieht hier aber noch keinen akuten Handlungsbedarf und ich meine auch, dass der Gesetzgeber beim Thema 3D-Druck noch nicht reagieren muss.
Wann wird das zu einer Herausforderung für die Kommunikation?
Rechtliche Schritte zum Schutz von gewerblichen Schutzrechten können großen Einfluss auf die Reputation eines Unternehmens haben. Denn sie werden gerade bei David gegen Golliath Szenarien in der Regel von der Öffentlichkeit wahrgenommen. Wenn ein Unternehmen eine Verletzung eines geschützten Rechtes entdeckt, etwa einen Fall von Markenpiraterie, dann ist der erste Schritt freilich oft immer noch die „klassische“ Abmahnung. Eine Abmahnung können wir aber heutzutage in Zeiten von Shitstorms und Social Media nicht mehr als Standardmaßnahme empfehlen, weil das schnell einen Reputationsschaden nach sich ziehen kann. Mittlerweile spricht man hier vom Jack-Wolfskin-Effekt. Das Unternehmen hatte 2009 Personen abgemahnt, die selbst hergestellte Produkte, die eine Pfote trugen, bei Dawanda verkauften. Jack Wolfskin sah darin eine Verletzung seines markenrechtlich geschützten Tatzenlogos. Durch die Abmahnungen wurde ein großer Shitstorm ausgelöst. Jack Wolfskin ist insoweit zum Negativbeispiel geworden. Jack-Wolfskin ist zurück gerudert und hat inzwischen auch einen breiten Stakeholder-Dialog zum Thema Markenschutz aufgebaut. Kurzum, man sollte mit Blick auf diesen Jack-Wolfskin-Effekt stets zu Ende denken, bevor man angreift.
Was kann man dagegen tun und was versteht man in der Litigation-PR unter einer „freundlichen Abmahnung“?
Wir bevorzugen in vielen Fällen, in denen es nicht um Marken- und Produktpiraterie geht, in einem ersten Schritt einen gentle approach statt einer knallharten Abmahnung Dabei wägt man schon im Vorfeld ab, welche möglichen Folgen durch eine Abmahnung entstehen können. Entweder mildert man die Abmahnung ab, oder man beginnt mit einem freundlichen Schreiben. Das wirkt ja oft schon genauso effektiv wie eine Abmahnung. Der Markeninhaber bekommt dann möglicherweise nicht immer eine strafbewerte Unterlassungserklärung und die eigenen Anwaltskosten erstattet. Er vermeidet aber auch die beschriebenen negative Folgen, die eine klassische Abmahnung haben kann.
Wir sprechen gerne von „Jack-Daniels-Methode“ statt dem „Jack-Wolfskin-Effekt“ – die Whisky Marke hat diese Methodik mit Erfolg umgesetzt und hat damit sogar sehr positive Berichterstattung erhalten. Das ging durch die amerikanische Presse und wurde gelobt als die freundlichste Abmahnung, die es jemals gab. Tatsächlich hat Jack Daniels sein Ziel erreicht und die Rechtsverletzung beendet – und die Marke hat auch noch von positiver PR profitiert.
Es gibt natürlich auch viele Fälle, in denen die freundliche Abmahnung fehl am Platz ist. Wenn sie es mit dreisten Trittbrettfahrern oder professionellen Produktpiraten zu tun haben, dann ist eine Abmahnung an sich noch viel zu höflich, da hilft meist nur ein schneller Angriff mit voller Wucht, um das Problem zu lösen.
In dem Sinne greift Litigation-PR auch an einer viel früheren Stelle ins Rad. Dabei geht es dann eben nicht um Pressemitteilungen oder Hintergrundgespräche sondern um die inhaltliche Strategie, die man verfolgt. Die legen wir in manchen Fällen auch mit Litigation-PR Profis und Mandanten schon vorsorglich gemeinsam fest, bevor wir rechtliche Schritte einleiten.
Hinzu kommt, dass bestimmte Fälle auch eine punktuelle, rechtssichere Kommunikation der Sachverhalte erfordern, insbesondere auch wenn Dritte involviert sind. Hier gehen wir immer mehr dazu über, unseren Mandanten auch ein integriertes Kommunikationsangebot aus einer Hand zu bieten.
Wenn man manchen Justitiaren zuhört, dann scheint sich die Wirtschaft in einem ständigen Dauerkrieg mit Produktpiraten zu befinden? Wie sind Ihre Eindrücke?
Das ist richtig. Hier führt die Wirtschaft einen ständigen und weltweiten Kampf gegen Fälscher, das kann man nicht anders nennen. Wenn man sich die Zahlen ansieht, welche Schäden durch Produktpiraterie entstehen, geht es um enorme Summen. Viele geschädigte Unternehmen versuchen deshalb, die Vermarktung von Plagiaten zu stören, indem sie zum Beispiel die Produkte über den Zoll schon an der Grenze zu stoppen oder auf Messen eingreifen. Wenn sie Plagiate finden, lassen sie diese beschlagnahmen. Bei Produktpiraterie geht es aber nicht nur um wirtschaftliche Schäden. Wenn sie sich etwa den riesigen Markt an gefälschten Medikamenten ansehen: Da geht es auch um Verbraucherschutz und Gesundheitsschäden. Wenn gefälschte Krebsmedikamente auf den Markt kommen, dann ist der Schaden in Geld mit Blick auf die Betroffenen an sich nicht messbar. Auch wenn der Markeninhaber dafür rechtlich nicht verantwortlich ist, kann in der öffentlichen Wahrnehmung dennoch ein Makel hängen bleiben, den er nur sehr schwer (etwa durch umfangreiche PR-Maßnahmen) korrigieren kann, wenn überhaupt.
Insgesamt sollte im Vorfeld noch mehr Öffentlichkeitsarbeit gegen Piraterie und dreiste Plagiatoren gemacht werden. Die Verbraucher müssen nicht nur für die wirtschaftlichen Schäden sensibilisiert werden, die bis hin zum Verlust von Arbeitsplätzen führen können. Es geht auch um die Aufklärung der Verbraucher im Hinblick auf gesundheitliche Gefahren aufgrund von Marken- und Produktpiraterie. Wie man es also sieht: Die Überschneidungsfelder mit professioneller Kommunikationsberatung sind offensichtlich.