MUTMACHER IM KAMPF GEGEN DEN KREBS
von Steffen Fritzsche
2020 zählte das Statistische Bundesamt bundesweit 239.552 Tote aufgrund von Krebs und anderen Neubildungen. Damit waren Krebserkrankungen die zweithäufigste Todesursache und für nahezu jeden vierten Todesfall in diesem Jahr verantwortlich. Mehr als eine halbe Million Menschen werden in Deutschland jedes Jahr neu mit Krebs diagnostiziert. Doch es gibt große Fortschritte in der Therapie. Eines davon geht auf das Konto der Fraunhofer-Gesellschaft, der weltweit führenden Organisation für anwendungsorientierte Forschung. Unser #Mutmacher des Monats.
Ich arbeite seit 26 Jahren in der Life Sciences Kommunikation. Was mich dabei antreibt ist, den gesellschaftlichen Nutzwert dieser Zukunftstechnologie zu vermitteln – und das in einem hochregulierten Markt. Leider sehen die politischen Entscheider in Deutschland entsprechende Investitionen häufig als reine Kosten, die es zu reduzieren gilt. Das Gegenteil ist richtig. Wer für morgen den Wohlstand sichern will, muss heute auf Innovationen setzen. Investitionen in innovative Medizintechnik, Arzneimittel und Impfstoffe ermöglichen nicht nur bessere Heilungschancen und mehr Lebensqualität für die Betroffenen, sondern tragen auch entscheidend dazu bei, den Standort Deutschland zukunftssicher zu machen. Nicht zuletzt außeruniversitäre Forschungsorganisationen wie die Fraunhofer-Gesellschaft übernehmen hier eine wichtige Aufgabe – bei dem Transfer von wissenschaftlicher Forschung hin zur täglichen Anwendung in der Patientenversorgung. Ein Beispiel aus der Onkologie macht Mut, weil es zeigt, wie interdisziplinäre Teams die Erkennung von Tumorzellen wesentlich verbessern können.
Den Krebs sichtbar machen
Die Entfernung eines Tumors im Operationssaal ist eine heikle Angelegenheit. Das vom Krebs befallene Gewebe muss mit möglichst wenigen Schnitten vollständig und präzise entfernt werden. Danach stellt sich für die Chirurgin oder den Chirurgen immer die Frage: Wurden wirklich alle von Krebs befallenen Zellen komplett entfernt? Ohne das umliegende Gewebe zu beschädigen?
Nur wer den Krebs sehen kann, kann ihn auch präzise bekämpfen. Nach diesem Motto machte sich ein interdisziplinäres Forscher-Team von Fraunhofer ans Werk. Angesichts der großen Herausforderungen schlossen sich drei Fraunhofer-Institute in Erfurt, Dresden und Leipzig zum Projekt LSC-Onco (Laser Scanning Oncology) zusammen und entwickelten gemeinsam eine Kombination aus Laser-Scanning-Mikroskop und fluoreszierenden Tumormarkern.
Das Ergebnis ist spektakulär: Noch im Operationssaal kann die Ärztin oder der Arzt mithilfe des Mikroskops das Gewebe untersuchen, aus dem der Tumor gerade herausgeschnitten wurde. Ein vorher aufgebrachter Fluoreszenz-Marker macht alle Krebszellen sichtbar, die nach dem Schnitt eventuell noch zurückgeblieben sind. Durch die neue Fluoreszenzmethode schaut der Operateur dem Feind jetzt buchstäblich ins Auge. Auflösung und Präzision des Systems sind so hoch, dass selbst einzelne Krebszellen erfasst werden und die Untersuchung des Operationsfeldes mit dem LSC-Mikroskop dauert nur Sekunden. Mithilfe der Darstellung auf dem Display kann die Ärztin oder der Arzt die noch verbliebenen Krebszellen, die sich am Wundrand befinden, restlos und sauber entfernen, ohne gesundes Gewebe zu verletzen.
Die Vorteile liegen auf der Hand: Die Operation ist nicht nur schneller beendet, sondern durch die saubere Entfernung aller Krebszellen steigen auch die Chancen auf eine vollständige und dauerhafte Heilung. Die Kombination aus Laser-Scanning-Mikroskop und fluoreszierenden Tumormarkern leistet damit einen wichtigen Beitrag zu einer schonenderen und effektiveren Krebstherapie. Am Ende profitieren die Patienten, die dank verbesserter Heilungschancen neuen Mut schöpfen.
Abbildung 1: Das Fluoreszenz-Bild eines Tumorschnitts, aufgenommen mit dem LSC-Onco-Mikroskop. Die grün fluoreszierende Fläche zeigt Krebszellen an. © Fraunhofer
Abbildung 2: Das Laser-Scanning-Mikroskop ist so klein und kompakt, dass es auch im Operationssaal direkt an der Patientin oder am Patienten eingesetzt werden kann. © Fraunhofer