VOR DIE WELLE
Internal Investigations als kommunikative Herausforderung
Gespräch mit Dr. Sophia Habbe, Partnerin der Kanzlei Noerr, Head of Compliance & Investigations
Kennt sich aus mit forensischen Verfahren: Noerr Practice Chefin Dr. Sophia Habbe
Eine internal Investigation ist ein kritischer Prozess, der Organisationen dabei unterstützt, Verstöße und Fehlverhalten aufzudecken und die Aufklärung voranzutreiben. Internal Investigations sind oft Teil einer Unternehmenskrise und müssen daher von der Unternehmenskommunikation auch mit Instrumenten der Krisenkommunikation bearbeitet werden. Doch welche Herausforderungen und bewährten Kommunikationspraktiken gibt es in diesem komplexen Umfeld? Ich sprach darüber mit der Anwältin Dr. Sophia Habbe, Leiterin der Geschäftseinheit Compliance und Investigation bei Noerr, einer der größten Anwaltskanzleien Deutschlands.
Frau Dr. Habbe, Wenn die großen Anwaltskanzleien Interventionsteams in Unternehmen schicken, dann ist oft das Vertrauen in das Management beschädigt. Im Dieselgate-Fall wurden verschiedene Investigationsteams von den Aufsichtsräten der Automobilunternehmen eingesetzt – weil sie den Vorständen und Exekutivorganen nicht mehr zugetraut haben, den Skandal aus eigener Kraft zuverlässig aufzuklären. Die Vertrauenskrise ist in so einem Fall tief. Welche Erfahrungen haben Sie damit gemacht?
Eine internal Investigation wird meistens als Krise wahrgenommen, also als eine Abweichung vom normalen Ablauf im Unternehmen. Insofern muss man sie auch professionell mit Instrumenten der Krisenkommunikation begleiten. Da haben Sie sicher recht. Ob das jedes Mal mit einen gravierenden Vertrauensverlust in das Management einhergehen muss, da habe ich meine Zweifel. Und rein gesellschaftsrechtlich betrachtet, ist auch nicht immer der Aufsichtsrat dafür zuständig.
Zunächst betrifft es die Geschäftsleitung, möglichen Pflichtverletzungen im Unternehmen nachzugehen. Wenn es eine Warnung gibt, dass in ihrem Unternehmen irgendwas schiefläuft, wenn Behördenanfragen auf dem Tisch liegen oder wenn der Aufsichtsrat irgendwelche Fragen hat, dann ist zunächst einmal die Geschäftsleitung in der Pflicht, die Dinge aufzuklären. Dass eine Investigation vom Aufsichtsrat beauftragt wird, weil das gesamte Management kompromittiert sein könnte, das kommt vor. Aber es ist nicht die Regel.
Welche Gründe gibt es, eine Internal Investigation in Auftrag zu geben?
Da gibt es verschiedene Gründe. Zum einen ist es bei komplexen Sachverhalten oft ein Kapazitätsthema. Riesige Datenmengen müssen bewältigt werden, viele Interviews sind zu führen. Das schafft man mit internen Kapazitäten in der Regel nicht parallel zum Tagesgeschäft.
Viele wolle auch aus Neutralitätsgründen jemand Externen draufschauen lassen, der das ganze Material noch mal anders betrachtet als eben die eigenen Leute.
Drittens: Häufig sind komplizierte Rechtsfelder betroffen. Da will man nicht nur jemanden haben, der Erfahrung mit Forensik und Gesellschaftsrecht hat. Man braucht dann auch Spezialisten zu allen möglichen Rechtsbereichen, in denen möglicherweise ein Rechtsverstoß stattgefunden hat.
Viertens ist eine Internal Investigation durch externe Berater gerade dann angeraten, wenn tatsächlich schon Behörden im Haus sind oder wenn die Wahrscheinlichkeit hoch ist, dass das geschieht – etwa die Staatsanwaltschaft, der Zoll oder die Steuerprüfung. Dann braucht man oft jemanden, der eine unabhängige und professionelle Begleitung eines solchen behördlichen Verfahrens sicherstellen kann. Das gilt insbesondere auch dann, wenn es später zu einer Prüfung der Aufklärungsmaßnahmen, etwa durch eine Sonderprüfung, kommen könnte. Dann sollte so eine Sachverhaltsaufklärung methodisch auf jeden Fall in trockenen Tüchern sein. Wir erleben häufig, wenn wir irgendwo reinkommen, dass da schon etwas getan wurde – aber das ist dann oft „hemdsärmeliger“ als wir das tun würden..
Können sie Fälle nennen, die typisch sind für Internal Investigations und die einen gewissen Leuchtturmcharakter haben?
Das kann sehr vielgestaltig sein – der oben schon erwähnte Dieselgate-Fall ist sicher ein Sonderfall. Da gibt es Fälle von Unternehmen, die Probleme mit Verstöße gegen die Russland-Sanktionen haben. Verstöße gegen Umweltrecht oder ESG-Regeln – etwa, wenn Mitglieder aus Gremien sich nicht ideal verhalten haben im Umgang mit Mitarbeitern – Stichwort Sexual Harassment. Verfahren auf Betreiben der BaFin sind ein Dauerbrenner, insbesondere wegen angeblicher kapitalmarktrechtlicher Verstöße etwa gegen Ad-hoc-Pflicht. Das Feld der Internal Investigations ist sehr vielgestaltig und muss nicht immer nur mit klassischem Betrug oder Untreue zu tun haben.
Als Kommunikatoren haben wir es häufiger mit Internal Investigations zu tun. Dabei taucht häufig die Frage auf, welche rechtlichen Probleme es gibt, wenn man eine Investigation kommunikativ ankündigt, wenn man sie kommunikativ begleitet, etwa in dem man Führungskreise informiert. Mir scheint es sehr sinnvoll, den Führungskräften Sprachregelungen an die Hand zu geben, mit denen sie ihren Mitarbeiter erklären können, was da vor sich geht. Ist man da aber nicht auch schnell dem Vorwurf der Verdunklung ausgesetzt?
Nein. Nicht, wenn Sie keine unabgestimmten präjudizierenden Aussagen treffen. Eine gute Kommunikation muss immer versuchen, „vor die Welle zu kommen“. Sie muss versuchen, die Dinge offen anzusprechen, bevor sie zum Gegenstand von Spekulationen, Gerüchten oder gar Falschaussagen werden. In der Praxis ist das aber schwierig – Sie wissen das ja besser als ich. Ein Forensiker wird niemals ein Zwischenergebnis veröffentlichen. Internal Investigations sind dynamische Prozesse. Was jetzt klar aussieht, kann schnell völlig unklar aussehen und umgekehrt
Wenn man mitten in einer Sachverhaltsaufklärung steht, ist die einzige professionelle Antwort, die man geben kann: Wir sind dran. Wenn es etwa aufzuklären gibt, werden wir es aufklären. Welche Konsequenzen das haben mag – dazu ist es jetzt viel zu früh, Aussagen zu treffen. Alles andere wäre unseriös.
Heißt die Regel einfach: Mehr über den Prozess reden, weniger über die Inhalte reden?
Genau.
Nun geht es dabei oft um Emotionen. Oft steht der Vorwurf eines gravierenden Fehlverhaltens des Managements im Raum. Verschiedene Interessensgruppen reagieren darauf mit ausgesprochener Skepsis oder gar Kritik. Denken Sie dabei an potenzielle Investoren. Denken Sie an Mitarbeiter, die sie halten wollen, oder die sich gerade in einem Bewerbungsprozess befinden.
Exakt. Alle unterstellen erst einmal, dass so ein Vorwurf gerechtfertigt ist. Sie spekulieren schnell darüber, was das bedeuten könnte. Und dann ist es genau Ihre Aufgabe als Kommunikator, dem entgegenzutreten. Sie müssen Vertrauen schaffen, ohne sich inhaltlich allzu weit vorzuwagen. Wenn Ihnen das gelingt – dann ist das natürlich eine hervorragende Unterstützung einer Internal Investigation.
TAKE AWAYS
5 Regeln zur Kommunikation während einer Internal Investigation
Im Falle einer internen Untersuchung spielt die Unternehmenskommunikation eine entscheidende Rolle. Ihre Aufgabe besteht darin, transparente und effektive Kommunikationsstrategien zu entwickeln und umzusetzen, um verschiedene Stakeholder zu informieren und das Vertrauen in die Organisation wiederherzustellen. Gute Unternehmenskommunikation kann helfen, mögliche Reputationsschäden zu minimieren, interne und externe Gerüchte einzudämmen und Transparenz zu gewährleisten. Sie unterstützt auch die klare Kommunikation von Untersuchungsergebnissen und Maßnahmen, um sicherzustellen, dass alle relevanten Parteien angemessen informiert sind. Darüber hinaus kann sie bei der Aufrechterhaltung einer offenen Dialogkultur und einer positiven Unternehmenskultur während des Untersuchungsprozesses beitragen.
- Versuchen Sie, vor die Welle zu kommen. Kommunizieren Sie, bevor es Gerüchte gibt. Insbesondere auf eine gelungene Auftaktkommunikation kommt es dabei an.
- Achten Sie auf enge Abstimmung mit den Entscheidungsgremien – die direkte Linie zum Aufsichts- oder Verwaltungsrat. Vertrauen ist in so einer Krise eine ganz entscheidende Voraussetzung.
- Geben Sie den Führungskräften Sprachregelungen und Formulierungshilfen an die Hand, wie sie die Situation ihren Mitarbeitern erklären können. Übliche Formulierungen sind: Totale Transparenz. Aufklärung ist notwendig für Vertrauens- und Compliance-Kultur. Wenn es etwas aufzuklären gibt, werden wir es aufklären.
- Intern ist gleich Extern. Treten Sie daher Gerüchten klar und deutlich entgegen, bevor sie nach außen dringen – denn das werden sie sowieso.
- Während der Internal Investigation gilt für die Kommunikation als Faustregel: Mehr Prozess, wenig Inhalt. Treffen Sie keine präjudizierenden Aussagen, was die Ergebnisse einer Internal Investigation anbelangt. Aber bauen Sie eine Brücke in die Zeit nach der Krise.