Litigation PR im Managerhaftungsfall:
Auch D&O Versicherer sind an einer geräuschlosen Lösung interessiert
Kugelsicher, tragbar und stets verlässlich – so beschreibt das Manager Magazin die Wirkung einer D&O-Versicherung. Sie soll Manager vor Haftungsrisiken schützen, die bei Pflichtverletzungen entstehen. Immer häufiger werden solche Haftungsstreitigkeiten zwischen geschädigten Unternehmen und ehemaligen Managern zum existenziellen Risiko. Die Versicherer sitzen dann oft mit am Verhandlungstisch – und werden zur Grauen Eminenz und zur Zielscheibe. Ein ausgewiesener Kenner dieser Branche ist Michael Hendricks, Managing Director der Howden Group. Mit seinem Unternehmen berät er seit vielen Jahren Manager und Unternehmer darin, wie sie sich optimal vor den finanziellen Risiken und den Reputationsschäden, die durch Haftungsklagen entstehen, schützen können. Ende Juni habe ich mit ihm in München darüber gesprochen.
Herr Hendricks: Man hat den Eindruck, dass D&O Versicherungen an Bedeutung gewinnen und auch häufiger für Schäden eintreten. Sind Manager krimineller als früher?
Das kann man so nicht sagen. In den vergangenen Jahren ist es zu massiven Verschärfungen in den gesetzlichen Haftungsbedingungen gekommen. Vor 15 Jahren waren etwa Schmiergelder noch nützliche Aufwendungen, die man steuerlich absetzen konnte. Das hat sich geändert und viele Unternehmen haben nicht schnell genug umgestellt. Heute gibt es Straftatbestände im Bereich der Untreue und Korruption, die es so in dieser Form zuvor nicht gab. Auch im Nebenstrafrecht, etwa in den Compliance-Regelungen, sind kaum mehr überschaubare Sachverhalte entstanden, die im Haftungsfall aber plötzlich relevant werden. Hinzu kommen sich wandelnde Anspruchsmentalitäten, bissige Aktionäre oder übervorsichtige Aufsichtsräte: Insgesamt haben die Risiken für Manager und Aufsichtsräte stark zugenommen. Angesichts dieser Situation sollen D&O Versicherungen das Management auch vor dem persönlichen wirtschaftlichen Ruin schützen, sollten sie sich wissentlich oder nicht einer Pflichtverletzung schuldig gemacht haben.[/vc_column_text]
Welche Rolle spielt der Schutz der Reputation der betroffenen Mandanten für die D&O Versicherer?
Bei einer guten D&O Police werden PR Kosten in der Regel übernommen. Das zielt auch darauf ab, dass Manager nicht nur finanziell geschützt werden müssen. Es geht auch um ihre Reputation und die Fortsetzung der Erwerbsbiographie. Die Beispiele mehren sich, in denen Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens erst nach jahrelangen Prozessen Recht bekommen. Der Fall Kachelmann macht zudem deutlich, dass nach einer intensiven Medienschlacht eine Rückkehr in das berufliche Leben praktisch ausgeschlossen sein kann. Manch einer hat auf diese Weise schon vor Gericht gewonnen, war danach aber trotzdem beruflich ruiniert.
Durch professionelle Pressearbeit wird sich an den Haftungsbedingungen oder am Urteil nichts ändern. Es ist aber wichtig, dass beispielsweise offensichtliche Falschaussagen wieder aus dem Internet verschwinden – das kann eine langwierige Aufgabe für spezialisierte Dienstleister sein.
Zudem kommt es schneller zu Vergleichen und außergerichtlichen Einigungen, wenn das kommunikative Klima neutral und das öffentliche Interesse gering ist. Aus dem Grund sind auch die Versicherer an einer geräuscharmen Lösung interessiert, um die Fälle schneller beenden zu können. Auch wir empfehlen daher vielen Mandanten, sich in Sachen Medien professionell beraten zu lassen.
Bei immer mehr zivilrechtlichen Managerhaftungsauseinandersetzungen entsteht der Eindruck, sie zielen direkt auf die Kassen der D&O Versicherer.
Das ist richtig. Dabei sind die Forderungen, die da erhoben werden, oft völlig überzogen. Immer mehr Unternehmen versuchen Ersatzansprüche für Schäden in voller Höhe der Deckungssumme der jeweiligen Versicherungspolice geltend zu machen. Das ist reiner Bilanzschutz und es wird zunehmend zu einem Problem für die Versicherer: Die Kapazitäten reichen oft gar nicht aus um solchen Forderungen gerecht zu werden. Hier muss seitens der Kläger auch viel stärker auf die tatsächliche Vollstreckbarkeit geachtet werden. Oft ist kaum mehr als 10% der Deckungssumme realistisch. Durch solche Forderungen entstehen zudem oft völlig falsche Erwartungshaltungen in den Medien und bei den Aktionären.
Darüber hinaus haften dann die Betroffenen immer häufiger auch mit dem eigenen Vermögen – das zeigt der Fall Breuer. Nach Zahlungen der Deutschen Bank von insgesamt 928 Millionen Euro an die Kirch-Erben, beschloss der Aufsichtsrat, Breuer und dessen Versicherung in Regress zu nehmen. Am 31. März 2016 wurde bekannt, dass sich die Deutsche Bank mit Breuer auf einen Vergleich geeinigt hatte, der Breuer zu einer Zahlung in Höhe von 3,2 Millionen Euro an die Deutsche Bank aus dem Privatvermögen verpflichtete. Zudem sollte die Bank von Breuers Managerhaftpflichtversicherung 90 Millionen Euro erhalten.
Angesichts solcher Entwicklungen wird immer mehr Managern klar, dass ihre Standard-Policen sie gar nicht umfassend schützen. Es entsteht ein neuer Trend: Immer mehr Manager verlassen sich gar nicht mehr auf Konzernpolicen, sondern wollen eine persönliche D&O mit zusätzlicher Deckungen, die sie privat bezahlen. Dann entsteht ein Windhundrennen: Wer am schnellsten abschließt bekommt noch die höchste Deckungssumme.
Was hat diesen Wandel und die Verschärfung im Haftungsrecht ausgelöst?
Durch das BGH Urteil im Fall ARAG/Garmenbeck im Jahr 1997 hat das Thema an Fahrt aufgenommen. Seitdem unterliegt die Verfolgung von Schandensersatzansprüchen einem tiefgreifenden Wandel. Im deutschen Gesellschaftsrecht wird die Organhaftung heute so ausgelegt, dass der Vorstand oder Aufsichtsrat für begangene schuldhafte Pflichtverletzungen persönlich haftet und entstandene Schäden ersetzen muss. Ursprünglich ging es sehr oft um Umweltdelikte. Das ist heute verdrängt worden durch unzählige Korruptionsfälle. Hier hat die strafrechtliche Verfolgung extrem zugenommen. Inzwischen haben wir hier in Deutschland mehr Haftungsfälle als in den USA. Deutschland ist für die D&O Versicherer eines der schadensträchtigsten Länder – dies betrifft sowohl die Schadenssummen als auch die Schadenshäufigkeit. Die Staatsanwälte verfolgen die Fälle mit großer Härte. Aber auch die Anwaltschaft treibt die Unternehmen in Klagen – und sie verdienen gut daran. Unsere kontinuierlichen Auswertungen zeigen: Von allen Leistungen, die die D&O Versicherungen erbringen, gehen 70% in die Kassen der Anwälte.
Insgesamt sehe ich hier dringenden Handlungsbedarf in Sachen Risikobegrenzung und Absicherung von Organen: Wenn wir in Deutschland so weiter machen, werden wir bald gar keine Führungskräfte mehr haben, die sich diesem Risiko stellen wollen. Hier muss sich auch die Gesetzeslage ändern.