Insolvenzkommunikation: Es geht um die Sexiness für die Medien
Interview mit Dr. Christoph Niering, Vorsitzender des Verbands der Insolvenzverwalter

Die Insolvenz des Reiseveranstalters Unister macht erneut deutlich, wie wichtig strukturierte Kommunikation in einem solchen Fall ist. Ob Dialog mit den Medien, den Fluggästen, den Mitarbeitern, Gläubigern oder Investoren – Insolvenzkommunikation ist ein Sonderfall der Litigation PR, der in der Fachdiskussion allerdings zu kurz kommt. Über bessere Chancen einer Sanierung, über die Zusammenarbeit von Insolvenzverwaltern und Kommunikationsexperten und über den Unterschied von Insolvenz- und Restrukturierungskommunikation sprach ich mit Dr. Christoph Niering, dem Vorsitzenden des Verbandes der Insolvenzverwalter und selbst einer der führenden deutschen Insolvenzverwalter.
Bankrott, Pleite, Konkurs – wenn der Insolvenzverwalter kommt, sind die Erwartungen selten positiv. Das Image ist schlecht – zu unrecht. Wie sehen sie das Selbstverständnis eines Insolvenzverwalters?
Das ist leider richtig. In der Öffentlichkeit sieht man den Insolvenzverwalter als denjenigen, der zu sperrt und abwickelt. Der Verwalter mit seiner Tätigkeit und die Insolvenz als Ereignis hat kein gutes Image. Was positiv wahrgenommen wird, ist die Rettung durch einen Investor, der das Unternehmen saniert. Dass erst durch die Insolvenz die Chance zu einer Neustrukturierung entsteht, das wird außerhalb von Fachkreisen viel zu selten gesehen.
Leider gibt es tatsächlich eine große Zahl an Insolvenzfällen, bei denen die Unternehmen, wenn wir bestellt werden bereits den Betrieb eingestellt haben. In einem solchen Fall gibt es nichts mehr zu sanieren. Aber auch dann ist eine geregelte Abwicklung wichtig und volkswirtschaftlich sinnvoll. Unser Anspruch ist es aber, die Unternehmen zu retten, für die noch eine Erfolgsperspektive besteht. Das ist das Selbstverständnis unseres Berufsstandes.
Wir stehen dabei oft vor der Frage, ob wir Mitarbeiter entlassen oder ob wir ihnen noch eine Perspektive geben können. In einem strukturschwachen Gebiet oder in einer Branche, die darnieder liegt, ist eine Insolvenz nicht einfach nur eine Marktbereinigung. Dann geht es auch um persönliche Schicksale von Menschen, denen möglicherweise durch Dauerarbeitslosigkeit die Existenzgrundlage geraubt wird. Gerade in solchen Fällen ist es unser Ansporn, das Unternehmen, wenn irgend möglich, weiterzuführen. Insolvenzverwalter können da dann einen großen Beitrag zur Sanierung leisten.
Welche Rolle spielt Kommunikation nach außen und nach innen im Insolvenzfall?
Da ist zum einen zu beachten, dass es einen großen Gegensatz zwischen dem oft großen öffentlichen Interesse und den rechtlichen Einschränkungen bezüglich der Kommunikation gibt. Eigentlich dürfen Insolvenzverwalter zu ihren Verfahren nur sehr wenig sagen, denn das Insolvenzverfahren ist nicht öffentlich. Es beschränkt sich nur auf die Gruppe der Gläubiger. Hier entsteht immer wieder die Frage, ob Informationen an die Öffentlichkeit weitergegeben werden dürfen oder nicht.
Das zweite Problem ist der Informationsrückstand des Insolvenzverwalters. Man wird angerufen, fährt los und kann bestenfalls noch im Internet recherchieren, um welches Unternehmen es sich handelt. Wenn es nicht gerade Karstadt oder Schlecker ist, wissen wir häufig fast nichts über den Klienten, stehen aber von der ersten Minute an im Fokus des Interesses der Medien und der Öffentlichkeit. Das schränkt unsere Möglichkeiten einer strategischen Kommunikation leider deutlich ein – gerade in der Situation können Kommunikationsexperten wertvoll sein.
Bei unserer Arbeit müssen wir schwierige rechtliche Zusammenhänge innerhalb kürzester Zeit verschiedenen Stakeholdern nahe bringen. Dabei haben wir es mit sehr unterschiedlichen Gruppen zu tun, denen wir den Sachverhalt aus ganz verschiedenen Perspektiven erläutern müssen. Was bedeutet das Insolvenzverfahren für Arbeitnehmer, Lieferanten, für Kunden oder für den Bürgermeister vor Ort? Alle haben ein berechtigtes Informationsinteresse.
Bei all dem müssen Insolvenzverwalter vorsichtig sein und sich immer wieder die Frage stellen, ob sie das am Ende halten können, was sie am Anfang versprechen. Am Anfang ist man daher möglicherweise zu vorsichtig. Manche Kommunikationsexperten sagen mir, dass unsere knappen Aussagen in der Öffentlichkeit eher Verunsicherung auslösen. Sind wir aber am Anfang zu optimistisch, werden wir später möglicherweise von der Entwicklung eingeholt, wenn vielleicht doch ein Werk geschlossen werden muss oder bestimmte Zusagen nicht eingehalten werden können.
Wie sieht das Verhältnis von Restrukturierungskommunikation und Insolvenzkommunikation aus?
Da gibt es meiner Meinung nach einen großen Unterschied. Restrukturierungskommunikation können sie langsam und strategisch aufbauen. Sie können Ablaufpläne machen, welche Nachricht sie wann, wo und wie rüberbringen. Das kann man in der Krise, im echten Insolvenzfall in der Regel nicht so umsetzen. Oft haben wir kaum oder gar keinen Vorlauf und müssen improvisieren. Selbstverständlich ist es sinnvoll, die Insolvenzkommunikation wenn möglich in den Kontext einer strategischen, langfristigen Sanierungsstory zu stellen. Aber viele Kommunikatoren machen sich ehrlich gesagt falsche Vorstellungen, was da wirklich möglich ist.
Gibt es Merkmale bei einem Insolvenzfall, an denen man einen besonderen Kommunikationsbedarf voraussagen kann und bei denen schon in einem sehr frühen Stadium Kommunikationsberater hinzu gezogen werden. Wie arbeiten Kommunikationsexperten und Insolvenzverwalter zusammen?
Grundsätzlich gilt: Größe und Bekanntheitsgrad eines betroffenen Unternehmens sind Faktoren, die von Anfang an einen erhöhten Kommunikationsbedarf nach sich ziehen.
Wenn großes öffentliches Interesse zu erwarten ist, etwa bei einem deutschlandweit bekannten Unternehmen, dann schreit das danach, von Anfang an einen Kommunikationsberater hinzuzuziehen. In der Region schaffen wir es hingegen auch oft allein, dass unsere Nachrichten von den regionalen Medien eins zu eins übernommen werden.
Grundsätzlich ist die interne Kommunikation anspruchsvoller und bedarf größerer inhaltlicher Tiefe. Da geht es gerade im Sanierungsfall auch darum, Motivation zu schaffen und die Menschen bei der Stange zu halten. In der externen Kommunikation ist meine Rolle als Vertreter aller Gläubiger hingegen viel stärker standardisiert. „Die Fortführung des Geschäftsbetriebes ist in den ersten Monaten gesichert.“ „Auch die Gehälter der Mitarbeiter sind vollständig gesichert.“ „Das ist die Basis um den Kern des Unternehmens zu erhalten.“ Das sind die typischen Textbausteine, die da zur Anwendung kommen.
Das öffentliche Interesse orientiert sich nicht allein an der Größe eines Unternehmens. Nehme Sie beispielsweise den Suhrkamp Verlag, der eigentlich gar kein besonders großes Unternehmen ist, über dessen Insolvenzverfahren aber sehr breit berichtet wurde. Wir haben viel größere Insolvenzfälle, die aber in der Presse keine Rolle spielen. Ich selbst betreue als Verwalter einen insolventen und börsennotierten Konzern mit weit mehr als 2 Mrd. Euro Verbindlichkeiten, über den kaum ein Medium berichtet hat. Viel kleinere Verfahren, etwa das bei einem regionalen Sportclub, bringen sie hingegen als Insolvenzverwalter direkt ins Fernsehen. Größe ist es also nicht allein, es geht auch um die Sexiness eines Falles für die Medien.
Im Hinblick auf die Zusammenarbeit zwischen Kommunikationsberatern und Insolvenzverwaltern wäre natürlich eine weitere Professionalisierung wünschenswert. Es gibt eine kleine Gruppe Insolvenzverwalter, die Erfahrung mit großen Insolvenzfällen und deren öffentliche Relevanz haben. Die sind meistens gut aufgestellt, haben ein gutes Gespür und gehen sehr professionell zusammen mit Kommunikationsprofis vor. Es gibt aber Insolvenzverwalter, die nur fallbezogen Berater hinzuziehen. Die sind durchaus daran interessiert, das kleine Einmaleins der Kommunikation und der Erstversorgung gemeinsam durchzusprechen – quasi bevor es ernst wird.
Deutschland verfügt über ein wirksames und weltweit führendes Insolvenzrecht. Was sind die Gründe dafür und vor welchen Herausforderungen steht die Branche?
Wir haben in Deutschland ein gut strukturiertes und kalkulierbares Verfahren. Das liegt an der Unabhängigkeit der Beteiligten, also der Verwalter und Gerichte. Und es liegt auch an einem vergleichsweise gut ausgebildeten Gerichtsapparat. Ein weiterer Erfolgsfaktor ist die Schnelligkeit des deutschen Insolvenzrechts. Wir sind in der Lage, innerhalb weniger Wochen und Monate ein Unternehmen zu sanieren und aus der Insolvenz zu führen. Das Insolvenzverfahren ist in Deutschland als Eilverfahren ausgebildet, sodass Richter häufig noch am selben Tag, spätestens in wenigen Tagen, Entscheidungen fällen – ähnlich wie bei einstweiligen Verfügungen. Das hilft deutlich zur Beschleunigung der Prozesse
In allen Berufszweigen kennen wir die Spezialisierung. Es gibt den Facharzt, den Fachanwalt, die Fachwerkstatt etc. Nur die deutschen Richter sollen ein Leben lang als Allrounder einsetzbar sein. Juristische und betriebswirtschaftliche Anforderungen sind aber gerade im Insolvenzrecht enorm. Es wäre daher sinnvoll, eine Konzentration der Insolvenzgerichte und auch eine Spezialisierung der Richterschaft in Angriff zu nehmen. Eine Forderung mit der wir nicht allein stehen und die die Qualität der Verfahren gerade bei den Unternehmensinsolvenzen noch deutlich steigern könnte.
In den letzten Jahren hat der Gesetzgeber mit verschiedenen Reformvorhaben den Sanierungsansatz des Insolvenzrechts gestärkt. Es liegt nun an den Beteiligten, diesen Weg fortzusetzen und ggf. Fehlentwicklungen, etwa im Bereich der Unabhängigkeit von Insolvenzverwaltern bzw. Sachwaltern oder des Missbrauchs von Gestaltungsrechten, zu begegnen. Wichtige Marktteilnehmer verstehen dies jedoch falsch und wollen das Insolvenzrecht mit der Wiedereinführung von Vorrechten wie zu Zeiten der Konkursordnung schwächen. Die Reform des Anfechtungsrechts ist dort das beste Beispiel. Initiiert vom deutschen Mittelstand, wollen auch Fiskus und Sozialversicherungsträger das Gesetzesvorhaben nutzen, um verloren geglaubte Privilegien wieder zu erlangen. Dem muss man im Sinne des Unternehmenserhaltes und damit auch des Erhalts der Arbeitsplätze einen Riegel vorschieben.
Dr. Christoph Niering ist Fachanwalt für Insolvenzrecht und Partner von NIERING STOCK TÖMP Rechtsanwälte. Seit 2011 ist er Vorsitzender des Verbandes der Insolvenzverwalter Deutschlands e. V..