SOLLEN WIR DEN TIGER REITEN ODER NICHT?
Gespräch mit Philipp Schindera, Kommunikationschef der Deutschen Telekom, über die digitale Transformation der Unternehmenskommunikation
Viele Kommunikationsabteilungen beschäftigen sich mit dem tiefgreifenden Wandel ihrer Prozesse und Strukturen. Daten, Algorithmen, Bots und Newsrooms sind nur einige Themen, an denen in den PR-Schreibstuben gearbeitet wird. Drei Tage lang begleitete ich Philipp Schindera, Kommunikationschef der Deutschen Telekom, im Berufsalltag – in einem Chat-Interview. Das Gespräch bietet einen Blick ins Nähkästchen einer der fortschrittlichsten PR-Maschinen Deutschlands. Es zeigt auch, was den Wandel vorantreibt: Der Spass und die Lust auf Veränderung.
[speech_bubble_id sb_id=11]Erste Frage: Spreche ich mit dem echten Schindera oder mit dem Schindera-Bot? [/speech_bubble_id]
[speech_bubble_id sb_id=22A]🤔👾👱Entschuldigung, ich habe dich nicht verstanden? [/speech_bubble_id]
[speech_bubble_id sb_id=22A]Spaß beiseite, ich bin‘s selbst! [/speech_bubble_id]
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[speech_bubble_id sb_id=11]Das kann jeder behaupten. Ein Bot mit einer starken KI könnte natürlich auch das faken. 😎 Ein gewisses Risiko bleibt. [/speech_bubble_id]
[speech_bubble_id sb_id=22A]Ja, bei jeder technischen Neuerung gibt es Risiken. Die Frage ist, wie man mit ihnen umgeht. [/speech_bubble_id]
[speech_bubble_id sb_id=22A]Am Ende ist es eine Frage der Sichtweise: Für manche Menschen steht das Risiko im Vordergrund, für andere die Chancen, die sich ergeben. [/speech_bubble_id]
[speech_bubble_id sb_id=22A]Übrigens ein sehr deutsche Phänomen: Wir sehen eher die Risiken, Amerikaner fragen eher, welche Chancen ergeben sich aus einer Neuerung. [/speech_bubble_id]
[speech_bubble_id sb_id=11]Wohl wahr. [/speech_bubble_id]
[speech_bubble_id sb_id=11]Dann mal konkret: Woran baut die Telekom in Sachen künstliche Intelligenz und PR-Automatisierung? Den Telekom-Bot gibts schon im Kundenservice. Gibts auch Ideen für die Unternehemneskommunikation? [/speech_bubble_id]
[speech_bubble_id sb_id=22A]Ja, wir experimentieren mit Bots und sammeln Erfahrungen, auch weil wir mit den Experten im Haus sprechen, die da schon erfahrener sind, denen im Kundenservice. Konkret arbeiten wir daran, einen Bot via Messenger einzusetzen. [/speech_bubble_id]
[speech_bubble_id sb_id=11]Können Sie schon was dazu sagen, wo der eingesetzt wird und was er kann? Ist das schon der Schindera Bot, von dem wir gerade sprachen? [/speech_bubble_id]
[speech_bubble_id sb_id=22A]Wie gesagt, wir experimentieren in einer Testumgebung. Es folgt dem Prinzip der Resi-App: Über Fragen sich dem Interessensgebiet des Kunden nähern. [/speech_bubble_id]
[speech_bubble_id sb_id=11]Cool. Der Bot lernt dadurch selbst, was die Nutzer interessiert. Nehme ich an. Trotzdem müssen Sie ihm doch eine inhaltliche Gesprächslogik vorgeben und auch einen konkreten Handlunsgkontext. Was soll er können? [/speech_bubble_id]
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[speech_bubble_id sb_id=22A]Sorry, so tief bin ich nicht im Thema. Aber im ersten Schritt geht es darum, einfache, standardisierte Fragen zu beantworten, die immer wieder kommen. Was danach kommt: We will see! [/speech_bubble_id]
[speech_bubble_id sb_id=11]Wenn er dem Resi-Prinzip folgt, wird das ein News-Bot? [/speech_bubble_id]
[speech_bubble_id sb_id=22A]Genau. Er hat das Potential zu wachsen und zu lernen. [/speech_bubble_id]
[speech_bubble_id sb_id=11]Bots sind sehr spannend. Aber das ist nicht das einzige Thema, wie sich Unternehmenskommunikation durch neue Technologien und Arbeitsweisen verändert. Nehmen wir doch mal die Content-Factory. Können Sie da auch etwas aus dem Nähkästchen erzählen? Wozu haben Sie die eingerichtet? [/speech_bubble_id]
[speech_bubble_id sb_id=22A]Um die verschiedenen Kanäle, die wir heutzutage haben, zielgerichtet und zeitnah bedienen zu können. [/speech_bubble_id]
[speech_bubble_id sb_id=11]Ich habe die Content-Factory als Ort erlebt, an dem viele Informationsquellen zusammenlaufen und an dem Entscheidungen über Themen und Umsetzung getroffen werden. Können Sie das vielleicht mal anhand eines Beispiels oder einer konkreten Situation schildern? [/speech_bubble_id]
[speech_bubble_id sb_id=22A]Die Logik bzw. Funktionsweise unterscheidet sich in der digitalen Welt nicht großartig von der analogen Welt. Deswegen haben wir in der CoFa einen „Balken“, wo die Entscheidungen über die Themen getroffen werden und wir folgen einer „Seite-1-Logik“, nach der wir entscheiden was wir „groß“ oder „klein“ machen bzw. über welchen Kanal wir die Nachricht ausspielen. Neu ist, dass wir nachhalten können, ob das, was wir uns überlegt haben, funktioniert. [/speech_bubble_id]
[speech_bubble_id sb_id=11]Machen wir es mal konkret: Laut Google sind das die drei Top-News am 7.11.17 zur Deutschen Telekom.
Wie sind Sie da konkret vorgegangen? Was sieht man da am Balken und wie greifen Sie ein? [/speech_bubble_id]
[speech_bubble_id sb_id=22A] #fingerindiewundegelegt da haben wir jetzt mal gerade gar nichts zu beigetragen! [/speech_bubble_id]
[speech_bubble_id sb_id=22A]Die erste Meldung ist eine Aktion vom Marketing, die zweite eine ganz normale Agenturmeldung und die dritte nun ja ich sag mal: kam irgendwie unglücklich wegen fehlender Abstimmung im Haus. [/speech_bubble_id]
[speech_bubble_id sb_id=11]Aber genau da zeigt sich doch die Stärke des Konzepts: Die dritte Meldung über die Forderung eines Kohleausstiegs, wird vermutlich in der breiten Öffentlichkeit sehr positiv aufgenommen. Die Mehrheit der Bevölkerung findet das gut. Das zeigen alle Umfragen.
http://www.presseportal.de/pm/22265/3770491
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[speech_bubble_id sb_id=11]Im Grunde kann man doch so eine Nachricht puschen – vor allem, wenn im Newsroom Informationen über das positive Resonanzpotial eingespielt werden. Das kann man dann doch nutzen und verstärken. Wie würde denn ein CvD [Chef vom Dienst] am Balken hier idealtypisch vorgehen? [/speech_bubble_id]
[speech_bubble_id sb_id=22A]Genau das passiert ja dann auch. Wir besprechen am Balken das Thema und wenn wir der Ansicht sind, das Thema „größer“ zu fahren, gehen wir auf den Fachbereich zu und versuchen mehr Informationen zusammenzutragen. Hier hat es zunächst ein Weile gedauert, bis wir den „Verursacher“ des Themas gefunden hatten und bis wir zu einer Einschätzung kamen. Und dann steht man natürlich vor der Frage: Den Tiger reiten oder runterspielen. [/speech_bubble_id]
[speech_bubble_id sb_id=11]Dann ist die Content Factory also eine Art Beobachtungs- und Lagezentrum. Das konkrete Doing, die Umsetzung der Kommunikation findet dezental statt? [/speech_bubble_id]
[speech_bubble_id sb_id=22A]Nein, sie ist beides. Hier laufen alle Fäden zusammen! Die Umsetzung findet im unmittelbaren Umfeld statt. Immer in enger Verbindung und Abstimmung mit dem Balken. [/speech_bubble_id]
[speech_bubble_id sb_id=11]Wie verändert sich das in Zukunft: Wo setzt da digitale Transformation ein und welche Rolle werden Newsrooms in einem Szenario spielen, das von stärkerer Automatisierung geprägt ist? [/speech_bubble_id]
[speech_bubble_id sb_id=22A]So blöd es klingt: Die klassischen Tugenden werden weiter gefragt sein. Wir brauchen Schreiber, wir brauchen Geschichtenerzähler, gute Geschichtenerzähler, wir brauchen Berichterstatter. Wir brauchen aber auch Netzwerker, wir brauchen Leute, die die neuen Medien verstehen und die Mechaniken kennen. Da das selten alles in einer Person zusammenkommt, müssen wir von einander lernen und uns gegenseitig befähigen. Die Digital Natives haben Wissen, das die Menschen, die in einer analogen Welt groß geworden sind, nicht haben und umgekehrt. Dieses Lernen und Weitergeben findet bei uns im Team gerade statt. Ich finde das spannend und es macht großen Spaß – den meisten zumindest. Wir müssen aber auch sehen, dass manche länger brauchen, sich in der neuen Welt zurecht zu finden, die dürfen wir nicht zurücklassen. [/speech_bubble_id]
[speech_bubble_id sb_id=11]Viele haben Angst vor den neuen Technologien.Sie sehen die Zukunft der Arbeit eher so:
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[speech_bubble_id sb_id=11]Wie sehen Sie die Zukunft der Unternehmenskommunikation? Welches Wissen muss konkret aufgebaut werden? Was muss man können, um in einer automatisierten PR Welt erfolgreich zu sein? [/speech_bubble_id]
[speech_bubble_id sb_id=22A]Ein gutes journalistisches Handwerkszeug ist nach wie vor wichtig, ein Gespür für Themen und Menschen und die Gabe, komplexe Dinge verständlich und interessant zu vermitteln. Aber es geht heute eben nicht mehr nur ums Schreiben oder darum, ein gutes Video zu machen. Man muss die verschiedenen Kanäle und Ihre Eigenheit verstehen, um dort erfolgreich zu sein. Ein Film muss für You Tube anders aufbereitet sein, als der Clip, den ich via Facebook ausspiele. Instagramer spreche ich anders an, als FAZ-Leser. Reines Absenden von Texten reicht heute nicht mehr, es geht um einen kontinuierlichen Dialog auf Augenhöhe. Das ist alles kein Hexenwerk, das kann man lernen, auch wenn man zur Elterngeneration eines Digital Natives gehört, aber man muss eben genau dazu bereit sein. Und man muss sich darauf einlassen können, dass der Lehrer wahrscheinlich deutlich jünger ist als man selbst. Ich hab‘s ausprobiert: Es macht großen Spaß und ist eine ganz wunderbare Erfahrung für beide Seiten. [/speech_bubble_id]
[speech_bubble_id sb_id=11]So soll es sein! Viel Erfolg und vielen Dank für das Interview. [/speech_bubble_id]
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Philipp Schindera ist Leiter Unternehmenskommunikation der Telekom. Zuvor war der leidenschaftliche Fan des 1. FC Saarbrücken unter anderem Kommunikationschef bei T-Mobile und Radiojournalist.
Das Interview wurde über drei Tage hinweg auf dem Twitter-Chat geführt. Es gibt eine spontane Gesprächssituation aus dem Alltag wieder. Der Text wurde für diesen Blog leicht gekürzt und orthographisch geglättet.