LITIGATION-PR: EIN MUST-HAVE IM KARTELLRECHT
Gespräch mit Prof. Dr. iur. Patrick L. Krauskopf, Partner und Chairman der Kanzlei AGON Partners, Zürich, und Professor an der ZHAW School of Management and Law, Winterthur
Ihre Kanzlei AGON Partners ist auf Kartellrecht spezialisiert. Mit der Verbindung aus Rechts- und Kommunikationsberatung haben Sie in der Schweiz ein Alleinstellungsmerkmal. Welche Ansatzpunkte für Litigation-PR sehen Sie speziell in Kartellrechtsauseinandersetzungen?
Zunächst besteht ein Bedarf an einer langfristigen Kommunikationsstrategie, wenn etwa ein marktmächtiges Unternehmen Zukäufe plant oder seine Preisgestaltung ändern möchte. Eine solche Konstellation kann häufig kartellrechtliche Beanstandungen auslösen. Wenn ein solches Risiko im Raum steht, kann es zweckmässig sein, die Informationsbedürfnisse aller Stakeholder, namentlich auch der Behörden, vorab zu bedienen. Hierzu gehören etwa Erläuterungen, weshalb eine bestimmte Maßnahme pro-kompetitiv wirkt und eben nicht dem Wettbewerb schadet. Mit einer Litigation-PR erhöht man die Wahrscheinlichkeit, dass der Ermessensspielraum, über welchen jedes Kartellamt verfügt, nicht zum Nachteil des betroffenen Unternehmens ausgeübt wird. Wenn das „Terrain“ professionell vorbereitet werden soll, muss man ein bis zwei Jahre vorher mit der Entwicklung von Litigation-PR-Strategien anfangen. Eine richtige Roadmap umfasst dann einen genauen Plan, wann wer welche Botschaft an wen richtet.
Der zweite Fall betrifft typische überfallartige Ereignisse im Kartellrecht, welche sehr kurzfristige Litigation-PR Massnahmen erfordern. Dies trifft etwa dann zu, wenn ein Kartellamt ohne Vorwarnung zu Zwangsmaßnahmen greift, z.B. eine Hausdurchsuchung durchführt, oder mit weniger als 12 Stunden Vorlaufzeit einem Unternehmen mitteilt, ihm werde ein Bußgeldbescheid zugestellt.
Wie schätzen Sie die Zusammenarbeit zwischen Juristen und Kommunikationsabteilungen in solchen Kartellrechtsstreiten ein?
Hier sehe ich in der Praxis noch viel Luft nach oben. Wenig Unternehmen und Berater sind darauf vorbereitet, eine kurzfristige Litigation-PR zu designen und umzusetzen. Die Herausforderungen sind auch bei langfristiger Litigation-PR gross: Gerade bei politisch und rechtlich potentiell heiklen Unternehmenszusammenschlüssen muss der Deal durch eine adäquate Kommunikation minutiös vorbereitet werden. Die Diskussionen um aktuelle Unternehmenszusammenschlüsse zeigen, was eine gute bzw. schlechte Litigation-PR zu bewirken im Stande ist. Es gehört zum absoluten Grundhandwerkszeug, dass man alle Eventualitäten vorab durchspielt und sich in kommunikativen Szenarien darauf vorbereitet. Nur so kann man alle Stakeholder rechtzeitig einbeziehen – von Investoren und Gewerkschaften über Medien bis zu Behörden.
Woran liegt es, dass Kommunikationsfragen in Kartellrechtsauseinandersetzungen häufig unterschätzt werden?
Das liegt unter anderem daran, dass viele Unternehmen die Vorteile einer langfristigen Litigation-PR unterschätzen. Die Vorbereitung von kommunikativen Szenarien ist aufwändig. Da fließt viel Zeit und Mühe rein, die man sich aus der Perspektive mancher Entscheider sparen will. Zudem liegt es auf der Hand, dass sich von den möglichen Szenarien nur eines realisiert. Dann heisst es oft: Ausser Spesen nichts gewesen! Das ist allerdings die Gefahr bei jeder Risiko-Evaluation, dass man sich auf Szenarien vorbereiten muss – auch wenn die negativen Szenarien idealerweise nie eintreten. Umgekehrt ist aber der Schaden enorm, wenn Worst-Case-Situationen eintreten, die ein Unternehmen völlig unvorbereitet treffen.
In einem Rechtsstreit drehen sich etwa 20% um Content, d.h. um rechtliche Erwägungen. Der Erfolg hängt aber entscheidend von non-legal Aspekten ab, namentlich von einer geeigneten Kommunikation. Das wird oftmals unterschätzt. Auch unsere Hochschulausbildung ist kaum darauf ausgerichtet. Das Selbstverständnis vieler Juristen richtet sich auf den korrekten Schriftsatz und – überspitzt formuliert – auf die richtige Fußnote. Wesentliche Kommunikationselemente werden vernachlässigt. Die Redewendung, wonach Recht haben und Recht bekommen zwei Paar Schuhe seien, ist Ausdruck dieser Ernüchterung. Hier kann Litigation-PR den Unterschied ausmachen. Deswegen pflegen wir diesen interdisziplinären Ansatz bei uns an der School of Management and Law an der ZHAW in Winterthur.
Welche Instrumente und Anwendungsfelder sehen Sie?
In der Litigation-PR gibt es eine Vielzahl an subtilen und dynamischen Instrumenten, Stakeholder-Gruppen für bestimmte Bedürfnisse zu sensibilisieren. Der Kanalmix, von medialen Instrumenten über ökonomische, politische Kanäle bis zu Social Media Ansätzen, sollte situativ gezielt eingesetzt werden.
Die Vorteile der Litigation-PR können letztlich auch in die Compliance einfließen, die man neben kurzfristigen Krisenkommunikation und langfristigen Kampagnen als drittes Anwendungsfeld im Kartellrecht nennen könnte. Was nützt ein dreißigseitiges Compliance-Tool, wenn es innerhalb eines Unternehmens niemand liest? Es fehlt unternehmensintern nicht an Papieren – im Gegenteil. Aber man ist in der Regel nicht in der Lage, die Richtlinien einer kartellrechtlichen Compliance so zu formulieren, dass sie von den internen Stakeholdern verstanden werden.
Der Erfolg bei einer rechtlichen Auseinandersetzung liegt nicht ausschliesslich – wie an der Universität suggeriert – im Ansatz „From Lawyers for Lawyers“. Rechtsfälle sind eine eminent interpersonale Auseinandersetzung: Dieses Feld füllt die Litigation-PR.