Juristen und Kommunikatiönler
Drei Erkenntnisse zur Lage der Litigation PR in der Schweiz
Nichts lebt länger als ein Klischee. Das Heidiland Schweiz gilt für viele nach wie vor als Sinnbild für gute Schokolade und glückliche Kühe. Dabei sprechen die Wirtschaftszahlen eine ganz andere Sprache: Im Hinblick auf das durchschnittliche Pro-Kopf-Einkommen gehört die Schweiz genauso zur Spitze wie in Sachen Wettbewerbsfähigkeit und ganz nebenbei beherbergt die Alpenrepublik einige der besten Business- und Technik-Hochschulen. Um das Thema Litigation-PR war es bei den Eidgenossen allerdings bislang still geblieben. Kein Vergleich zum Nachbarland Österreich, wo es gleich mehrere Beratungsunternehmen gibt, die sich lupenrein und lautstark auf diese junge Disziplin spezialisiert haben. Ein Kongress in Winterthur an der School of Management and Law hat jetzt den Versuch unternommen, mit diesem Klischee aufzuräumen.
Es tut sich was im Heidiland. Der Bedarf an professioneller Rechtskommunikation wächst und verschiedene Anbieter beginnen sich, auf dieses Thema auszurichten. Während viele Rechtsfragen, etwa um die Einschränkungen, die für die Justizöffentlichkeit gelten, in der Schweiz ganz ähnlich diskutiert werden, wie in Deutschland und Österreich, gibt es doch auch gravierende Unterschiede. Das hat mit der heterogenen und dreisprachigen Medienlandschaft zu tun – aber nicht nur. Hier meine drei Erkenntnisse aus dem Tag in der Schweiz:
Anwälte ersetzen keine Medienberater
Eigenständige Litigation-PR-Beratungen gibt es in der Schweiz erst im Ansatz. Unternehmen wie Santschi&Felber sind die Ausnahme. Die Aufgaben der Litigation PR werden bislang von Kanzleien und Anwälten wahrgenommen. Die verfügen entweder über jahrelang erworbene Medienerfahrung wie Valentin Landmann, der in der Schweiz fast schon eine Legende ist. Oder sie haben sich entsprechende Fachleute direkt in ihr Team genommen, wie es die Kanzlei Agon Partners vorgemacht hat. So können sie auf durchaus hohem Niveau auch bei komplizierten, kommunikativen Auseinandersetzungen mitmischen und ihren Mandanten ein breites Serviceangebot bieten.
Dabei zeigen sich aber durchaus Unterschiede: In Deutschland werden Kanzleien immer noch durch steuerliche Barrieren daran gehindert, Beratungsleistungen außerhalb der unmittelbaren Rechtspflege anzubieten. Kanzleien wie Landmann oder Agon machen das in der Schweiz ganz selbstverständlich. Ob sich dieses Modell durchsetzt, oder ob sich wie in Deutschland und Österreich ein spezialisiertes Ökosystem an Kommunikationsberatern entwickelt, die flexibel mit Kanzleien kooperieren, das muss sich noch zeigen. Einst ist zumindest klar: Anwälte und Kommunikationsberater müssen zum Dreamteam werden, wenn es um Litigation PR geht – das zeigt sich auch in der Schweiz.
Shitstorm-Management ist kein Instrument der Litigation PR
Die an Banken und Lebensmittelkonzernen reiche Schweiz kann auf eine durchaus lange Erfahrung mit Shitstorms zurück schauen. Social Media Beraterin Barbara Schwede trug in eindrucksvoller Weise vor, wie souverän hier bereits mit etablierten und erprobten Instrumenten operiert wird. Man hat gelernt, gelassen aber konsequent auf die regelmäßigen Erregungen der Internetgemeinde zu reagieren – und vor allem, die Krise auf diesen Teil der Öffentlichkeit zu begrenzen.
Die fachlich auf hohem Niveau geführte Diskussion zeigte aber schnell, dass klassische Shitstorms im Umfeld von Litigation-Krisen bislang kaum eine Rolle spielen. Wie man Instrumente der digitalen Kommunikation in Litigation-Communication-Kampagnen einbinden kann, blieb unscharf. Von einer verbindlichen Antwort auf diese Fragen scheint die Branche auch in der Schweiz noch entfernt zu sein.
Politische Kommunikation gehört zum Branchenverständnis
Wo Juristen am Werk sind, braucht man für ein politisches Verständnis von Kommunikation in der Regel nicht zu werben. Zu offensichtlich ist der Zusammenhang von legislatio und legis actio. Politische Stakeholder sind für Juristen eine natürliche Zielgruppe. Und das ist vielleicht der deutlichste Unterschied zu einem Litigation-PR-Verständnis, das von Medienfachleuten geprägt ist. So zeigten auch viele Vorträge in Winterthur, allen voran die fulminante Dinner Speech von Ex-Botschafter Thomas Borer, ein ausgeprägtes politisches Kalkül. Das heißt nicht, das politische Strategien für jede Litigation-PR Kommunikation notwendig wären. Aber im Grundsatz ist Litigation PR eher eine Disziplin der Corporate Affairs – als der reinen Medienarbeit. Diese Erkenntnis durchzog auch die Veranstaltung in Winterthur.
Die Tagung zeigte ein Disziplin im Aufbruch. Und das lässt hoffen: Nicht nur, was eine Professionalisierung der Branche in der Schweiz anbelangt, sondern auch was den Ausbau von Cross-Border-Litigation-PR-Kampagnen anbelangt. Den Effekt haben wir zwischen Deutschland und Österreich gesehen – und er wird sich sicher auch zwischen Deutschland und der Schweiz zeigen.