MANAGERHAFTUNG IM MITTELSTAND: LITIGATION-PR ALS SEK-EINSATZ
Hintergrundgespräch mit Robert Dietrich, Hauptbevollmächtigter und Partner Hiscox Insurance Company; Franka Barsch, Claims Manager Hiscox, Mario Hartmann, Product Head Professions & Specialty Commercial Hiscox

Robert Dietrich, Hauptbevollmächtigter und Partner Hiscox Insurance Company

Franka Barsch, Claims Manager Hiscox

Mario Hartmann, Product Head Professions & Specialty Commercial Hiscox
In den Medien ist ein klarer Trend zu immer schnellerer Vorverurteilung von Managern in Rechtsauseinandersetzungen und Krisensituationen zu beobachten. Woher kommt diese Entwicklung und was können D&O-Versicherer dazu beitragen, um diese Gefahr für Unternehmen und Manager zu vermindern?
Herr Dietrich: Zunächst einmal genießen Manager per se keinen allzu guten Ruf in der Öffentlichkeit. Hinzu kommt, dass die Medienlandschaft sich mit den Sozialen Medien extrem verändert hat. Eine reißerische Headline ist heute leider oft viel mehr wert als sachliche und objektive Berichterstattung. Da ist man auch mit Vorverurteilungen schnell bei der Hand, und dadurch kann für die Betroffenen ein persönlicher Schaden entstehen, der nicht mehr so leicht zu beheben ist. In einem laufenden Verfahren hilft so etwas überhaupt nicht. Unsere Aufgabenstellung als Versicherer ist es dann, einen Fall – unabhängig von der Medienberichterstattung – objektiv und professionell zu durchleuchten.
Gerade Unternehmerpersönlichkeiten aus dem Mittelstand haben oft keine große Erfahrung mit den Medien. Das müssen sie auch im Normalfall nicht. Aber in der Krisensituation kann es plötzlich eine entscheidende Rolle spielen, dass sie professionell beraten werden.
Als Versicherer schätzen wir professionelle Krisen-PR-Berater daher sehr. Wenn plötzlich die BILD-Zeitung bei einem mittelständischen Unternehmer vor der Tür steht, dann weiß dort oft kaum jemand, was zu tun ist, und es fehlt auch an professioneller Schulung in Interview-Technik. „Kein Kommentar“ kann dann genauso schädlich sein wie totale Transparenz, deren Folgen man in dem Moment gar nicht überschauen kann.
Was kann ein Anbieter von D&O Versicherungen speziell für den Mittelstand leisten?
Herr Hartmann: Ich glaube, hier hat sich sehr viel verändert. D&O Versicherungen gibt es in Deutschland seit etwa 30 Jahren. Schaut man sich an, was Manager heute verantworten, dann wird schnell deutlich, dass eine D&O Police immer wichtiger ist. Das spricht sich zunehmend auch im Mittelstand herum. In Familienunternehmen spielen sie zwar noch keine so große Rolle. Wenn aber bei Generationswechseln neue Geschäftsführer antreten, verankern sie in der Regel auch in ihrem Geschäftsführervertrag eine D&O Versicherung. Und sie interessieren sich dabei auch für spezielle Elemente wie etwa eine Kommunikationsberatung, Das war vor dreißig Jahren noch gar kein Thema. Wir gehören zu den D&O Versicherern, die PR-Kosten bis zu einer Höhe von zweihundertfünfzigtausend Euro absichern. Nach solchen Dingen werden wir im Vertrieb inzwischen auch von Mittelständlern immer häufiger gefragt.
Frau Barsch: Mittelständler haben selten große Skandale. Wenn aber eine Krise auftritt, dann steht oft auch der gute Ruf des Unternehmens auf der Kippe. Deshalb berücksichtigen wir das Reputationsrisiko von Managern in unseren Leistungen für KMU-Manager auch besonders. Wenn es schnell gehen muss, weil beispielsweise die Medien vor der Tür stehen, dann geben wir auch konkrete Hilfestellungen und stehen unseren Klienten in solchen Ad-Hoc-Krisensituationen zur Seite. Dabei empfehlen wir durchaus auch PR-Berater, mit denen wir gute Erfahrungen gemacht haben.
Herr Dietrich: Es geht bei den Schäden, mit denen wir es zu tun haben, oft um rechtliche Fragen, die man aufgrund ihrer Komplexität nicht mal einfach in zwei Stunden entscheiden kann. Da ist es in der Tat notwendig, kühlen Kopf zu bewahren und Zeit zu gewinnen. Andererseits hilft es bei der Streitbeilegung und Schadensregulierung überhaupt nicht, wenn die Medien jedes Gerücht von der Straße aufgreifen. Um das zu verhindern, empfehlen wir unseren Mandanten, dass sie sich beraten lassen und die Presse schnell und professionell informieren. Natürlich wäre uns am liebsten, wenn überhaupt nicht darüber berichtet wird. Aber die Öffentlichkeit hat ein berechtigtes Interesse daran, informiert zu werden. Das unterstützen wir auch.
Sehen Sie im Mittelstand andere Einflußfaktoren als bei Großunternehmen?
Herr Hartmann: Für mittelständische Unternehmen, die ja durchaus groß sein können, nehmen oft Regionalmedien und Regionalpolitik eine einflußreiche Rolle ein. Über das Internet verbreiten sich auch Nachrichten aus Regionalmedien in die ganze Welt – und können somit enormen Einfluss auf die Reputation und Streitbeilegung haben.
Wie läuft die Abwicklung eines solchen Schadensfalls bei Ihnen ganz praktisch ab – gerade auch angesichts der oft maßlos hohen Forderungen, die Kläger in Managerhaftungsfällen in den Raum stellen, und über die die Medien gerne berichten?
Frau Barsch: Da gibt es unterschiedliche Szenarien. Meist melden sich betroffene Manager, Ex-Manager oder Aufsichtsräte bei uns, weil sie von ihrem Unternehmen oder Ex-Unternehmen in Anspruch genommen werden. Die andere Variante ist die, dass betroffene Unternehmen, die bei uns ja die Versicherungsnehmer sind, uns auf eine Haftungsauseinandersetzung mit einem ehemaligen Geschäftsführer hinweisen. Dann gibt es auch den Fall, dass sich Insolvenzverwalter bei uns melden.
Wir verstehen uns in einer solchen Situation als Koordinator in der Krise. Im Idealfall laufen die Stränge bei uns zusammen. Wir versuchen mit allen Parteien zu sprechen und gemeinsam mit dem Versicherungsnehmer abzustimmen, was der richtige Weg ist. Der Versicherer ist der Herr des Verfahrens. Wir kümmern uns um den Fall. Wenn wir Deckung gewähren, entscheiden wir im Zweifelsfall eben auch, ob abgewehrt oder gezahlt wird. Wir wollen bewusst nicht, dass die externen Parteien das allein ausfechten.
Oft ist es unsere Rolle, unterschiedliche Interessen auszubalancieren – zum Beispiel ob und wie kommuniziert wird. Anwälte neigen dazu, öffentlich am liebsten gar nichts zu sagen. PR-Berater, die hinzugezogen werden, raten hingegen oft zu einer schnellen ersten Stellungnahme.
Herr Hartmann: Was die hohen Forderungen anbelangt, die Sie angesprochen haben, so sehen wir sehr oft, dass die Deckung die Haftung nach sich zieht: Je höher die Deckungssumme, desto höher die Inanspruchnahme und desto rabiater die Klagementalität. Wenn zum Beispiel ein Insolvenzverwalter einen Fall übernimmt, gehört es zum Standardprozedere, dass er den D&O-Versicherer anschreibt. Da wird zunächst immer erstmal versucht, das Maximale herauszuholen. Wir sehen das aber als normalen Prozess: Da ist ein professioneller Insolvenzverwalter, der eine Möglichkeit durchleuchtet. Dass zunächst einmal die Schadensforderungen etwas höher sind als das, was man realistisch bekommen kann, das ist nun einmal so. Es gehört zu unseren Aufgaben, diese Anspruchslagen dann auch zu klären.
Der Assistance-Gedanke und das Krisenmanagement gewinnen dabei immer mehr an Bedeutung. Unser Angebot beschränkt sich eben nicht nur darauf, den Schadensersatz zu begleichen. Unser Angebot ist das einer Assistance im Krisenfall. Wenn es einen aufkommenden Haftungsschaden gibt, dann will der Betroffene irgendwo anrufen können, um zu klären, was jetzt die nächsten Schritte sind. Er will einen verlässlichen Partner haben, der ihm umfassend hilft und eben auch die Kosten erstattet, wenn er zu einer PR-Agentur geht, um sich den Expertenrat für die professionelle Kommunikation einzuholen.
Was erwarten Sie sich von einem guten Kommunikationsberater?
Herr Dietrich: Ein gutes Netzwerk und die fachliche Expertise sind Grundvoraussetzungen. Darüber hinaus muss ein Berater die intellektuelle Fähigkeit haben, sich sehr schnell in einen neuen Sachverhalt einzuarbeiten. Gerade im Mittelstand geht es oft um spezielle Themen, etwa aus dem Maschinenbau oder der IT-Technologie. Da muss man relativ schnell verstehen, worum es geht.
Ein PR-Berater braucht auch ein sehr hohes Maß an Empathie. Wenn ein Manager, der einen Fehler gemacht hat, in der Öffentlichkeit vorgeführt wird, muss man verstehen, was in einem solchen Menschen vorgeht. Dabei braucht man auch oft extrem gute Nerven. Wenn es in der Krise hoch her geht, braucht man niemanden, der noch zusätzlich Panik verbreitet. Außerdem sollte der Kommunikationsberater die Fähigkeit besitzen, Menschen zusammen zu bringen. Viele Krisen-PR-Berater müssen sehr schnell und unter Zeitdruck ein Thema abarbeiten können. Sie haben dabei oft eine spezielle SEK-Mentalität entwickelt: Man trainiert das ganze Jahr – und wenn der Einsatz kommt, ist man auf den Punkt voll da.
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