Krisenkommunikation gegen die Skandalisierung
Neun Thesen zur LitigationPR angesichts der Causa Metzelder
von Armin Sieber, Managing Partner, Sieber Senior Advisors
Der prominente Ex-Fussballprofi Christoph Metzelder soll Kinderpornographie über WhatsApp verbreitet haben. So lautet zumindest der Vorwurf, der aktuell in den Medien zu lesen ist. Was man über den Fall weiß, ist wenig: Die Staatsanwaltschaft hat ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Das bedeutet zunächst einmal nicht viel. Solche Vorwürfe haben allerdings in der Vergangenheit oft schon für eine umfassende Skandalisierung der betroffenen Person ausgereicht. Die Grenzen für Verdachtsberichterstattung sind eng gesteckt. Trotzdem zeigen zahlreiche Beispiel, dass die Unschuldsvermutung in solchen Phasen medialer Entgrenzung oft nicht viel gilt. Droht nach Andreas Türck, Jörg Kachelmann und Sebastian Edathy ein weiterer spektakulärer Fall?
Es ist nicht unproblematisch, einen Fall wie die Causa Metzelder zu so einem frühen Zeitpunkt von außen zu beurteilen. Zu wenig ist bisher bekannt über den tatsächlichen Sachverhalte und die rechtliche Verteidigungsstrategien. Ausgehend von der Unschuldsvermutung sollte man zunächst einmal davon ausgehen, dass der Beschuldigte unschuldig ist. Und für mich als Krisenkommunikationsberater gilt das natürlich umso mehr. In einem Doppelbeitrag mit dem Strafrechtsprofi Mirko Laudon versuchen wir uns dem Fall zu nähern. Denn nicht wenige solcher Fälle wurden in der Vergangenheit eingestellt oder endeten durch Freispruch. Die Flecken auf der weißen Weste der Beschuldigten sind dabei oft geblieben – man denke nur an den Moderator Andreas Türck, der vom Vorwurf der Vergewaltigung freigesprochen wurde. Der Fall erhielt hohe mediale Aufmerksamkeit und stellte eine Zäsur in der Karriere Türcks dar, durch die seine Moderatorentätigkeit im Fernsehen über acht Jahre unterbrochen wurde.
Was aber kann man tun, wenn man von einer solchen Krise überrascht wird? Die inzwischen zahlreichen Beispiel zeigen, dass man einige Fehler durchaus vermeiden kann:
- Wenn Du nicht kommunizierst, kommunizieren die andere über Dich. Als betroffene Partei hat man die Chance, die Kommunikation mit zu gestalten. Strafrechtsanwälte neigen allerdings dazu, gerade in der frühen Phase einer solchen Krise, die Schotten nach außen dicht zu machen. Schweigen kann durchaus eine richtige Option sein, aber als Kommunikatoren raten wir, das gut zu durchdenken. Man überlässt das Spielfeld ohne Not der Gegenseite.
- Die Öffentlichkeit bildet sich ihre Meinung am Anfang – und schleppt die Vorurteile dann mit. Wer gegensteuern will, sollte das schnell tun. Mit jedem Medienkontakt verfestigt sich nämlich das Bild bei den Mediennutzern. Je länger eine Krise dauert um so schwieriger wird es, die gefassten Vorurteile wieder aufzulösen.
- Schweigen ist ein Schuldeingeständnis! Das erste der 5 berühmten Watzlawick-Axiome liefert die Begründung für ein schwieriges Kommunikationsproblem: Es gibt keine Nicht-Kommunikation. Schweigen wird von vielen Menschen als Schuldeingeständnis angesehen. Diese Bewertung wurzelt im der Dialog-Kompetenz, die wir von Kleinkind an erlernt und aufgebaut haben: Wenn im direkten Dialog eine Lücke entsteht, ist das ein Alarmzeichen. Hier weiß jemand nicht mehr weiter, er weicht aus, hat etwas zu verheimlichen. Diese Regel ist im direkten Gespräch erlernt und funktioniert dort auch zuverlässig. In der medialen Massenkommunikation ist sie nicht viel wert – wird aber zur Ursache einer oft dramatischen Vorverurteilungsdynamik.
- Persönliches Statement: Die Frage, ob ein betroffener Manager oder Prominenter zu so einem frühen Zeitpunkt tatsächlich aktiv kommunizieren soll, hängt von vielen Details ab, vom konkreten Sachverhalt und auch von der Persönlichkeit. Wenn ein Betroffener glaubwürdig sagen kann, dass er mit den Vorwürfen nichts zu tun hat, soll er es schnell und klar tun. Wenn nicht – Finger weg. Wer Dinge halb, verklausuliert, unvollständig oder unaufrichtig kommuniziert, gießt nur Öl ins Feuer. Floskeln wie „Aufgrund des laufenden Ermittlungsverfahrens geben wir keine Stellungnahme ab“ helfen nicht. Im Gegenteil. Denn ein Ermittlungsverfahren ist ja an sich kein Grund, keine Stellungnahme abzugeben, zumal sich ein solches Verfahren monatelang hinziehen kann.
- Experten nach vorne: Überlassen Sie den kommunikativen Raum nicht der Staatsanwaltschaft! Ein Anwalt kann sachlich und neutral erklären worum es geht, warum eine detaillierte Stellungnahme zum jetzigen Zeitpunkt schwierig ist. Erklären Sie, was Sie tun! Das bringt in der Sache zunächst noch nichts, bringt sie aber als Gesprächspartner in Stellung.
- Halten Sie den Kanal offen: Eine betroffene Partei sollte nicht mauern! Sie sollte zeigen, dass sie grundsätzlich gesprächsbereit und willig ist, Transparenz herzustellen. Das nützt kurzfristig nichts, verbessert aber mittelfristig die Glaubwürdigkeit enorm. Verbreiten Sie den Eindruck der Gesprächsbereitschaft! Dann kommen die Journalisten auch in Zukunft auf Sie zu und stimmen Dinge ab. Kommunikation ist nicht nur senden – es bedeutet auch zuhören. Wer mit Journalisten redet, hat vielleicht noch nicht auf alles eine Antwort. Aber er lernt über die Vorwürfe und bekommt eventuelle Informationen der Gegenseite zugespielt, die er so nicht hatte.
- Denken Sie nicht nur an die Medien: Denken Sie in 360 Grad Kommunikation: Wer ist wichtig? Wer kann meine Sache unterstützen? Entwickeln Sie Sprachregelungen für das direkte Umfeld, für Mitarbeiter, für Banken, Verbände und ähnliches. Alle kommen in so einem Moment auf Sie zu – und sie haben berechtigte Fragen, die man nicht ignorieren kann. Reputation wird ganz wesentlich durch die 360 Grad Performance geprägt!
- Behalten Sie die sozialen Medien im Blick: Monitoring, Präsenz ist wichtig! Ziehen Sie sich nicht zurück, wie im Fall Metzelder, der seinen Twitter-Account gelöscht hat. Hören Sie zu, was hier gesagt wird. Ein Shitstorm ist bis zu einem gewissen Grad heute in der Krise normal. Es gilt den Punkt abzupassen, an dem er eskaliert – den muss man erkennen und professionell gegensteuern.
- Falls erforderlich, holen Sie einen Presserechtler ins Boot, der so schnell wie möglich gegen rechtswidrige Berichterstattung vorgehen kann – idealerweise schon bevor der Beitrag erschienen ist. (Lesen Sie dazu auch das Gespräch mit Medienrechtsprofi Dr. Marcel Leeser in diesem Blog)
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